HERMANN GUNDERT
04.02.1814 - 25.04.1893
Historiker, Theologe, Lehrer, Missionar, Sprachwissenschaftler, Schriftsteller und Verleger
Als einer der frühen Missionare der Basler Mission gründet Hermann Gundert in Malabar im heutigen Kerala in Südindien eine Missionsstation. Seine außergewöhnliche Sprachbegabung und seine intensive Beschäftigung mit "Land und Leuten" ermöglichen es ihm, bedeutende Werke in der von den Keralesen benutzten Malayalam-Sprache zu erstellen. Dazu zählen nicht zuletzt seine volkskundlichen und historischen Veröffentlichungen, seine Malayalam-Grammatik, sein zu einem Standardwerk gewordenes Malayalam-Englisch-Wörterbuch sowie die Übertragung der Bibel und zahlreicher Kirchenlieder ins Malayalam.
Die britische Kolonialregierung beruft ihn Anfang 1857 zum Schulinspektor der Provinzen Malabar und Kanara. Sein Einfluss auf die Lehrpläne und die Erziehung in Südindien ist bis heute deutlich sicht- und erlebbar: jedes Kind kennt seinen Namen. Im Jahr 2000 wurde ihm in Thalassery, wo er die längste Zeit seines Indienaufenthaltes gelebt hatte, aus Dankbarkeit ein nahezu zehn Meter hohes Denkmal gesetzt.
Veröffentlichungen
Hermann Gundert wirkte über 30 Jahre im Calwer Verlagsverein als Verleger, Schriftsteller und Theologe. Sein umfangreiches Wissen hinterließ er auf zahlreichen Schriftstücken, die durch die Universität Tübingen mit Unterstützung der deutschen Forschungsgemeinschaft digitalisiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden.
Der Nachlass von Hermann Gundert enthält gedruckte und lithographierte Bücher und Kleinschrifttum auf Malayalam, Kannada, Tulu, Tamil, Telugu, Sanskrit und anderen Sprachen, ferner indische Handschriften inklusive einiger Palmblatthandschriften.
HERMANN GUNDERT UND SEIN ENKEL HERMANN HESSE
Hermann Gundert vermittelte seine Begeisterung für die indische Kultur insbesondere seinem Enkel Hermann Hesse (1877-1962). Die beiden "Hermänner" hatten eine enge Bindung und nicht selten saß der Enkel bei seinem Großvater und lauschte bedächtig den faszinierenden Geschichten aus Indien.
Ihre besondere Beziehung wird auch mit dem folgenden Video deutlich, als Hermann Hesse dem Aufenthalt im Seminar Maulbronn abbricht und zu seinem Großvater nach Hause flieht.
Das Wissen über die Kultur Indiens hat Hermann Hesse unter anderem in Siddhartha - eine indische Dichtung verarbeitet, das erst 1922, nach Hermann Gunderts Tod, veröffentlicht wurde. Hermann Hesse schrieb dieses Buch, das heute selbst Inder als "Kulturgut" zu schätzen wissen, ohne selbst je in Indien gewesen zu sein.
Durch Gunderts Enkel Hermann Hesse lebt die Tradition der Familie zu einem guten Teil in der Literatur weiter – sowohl im Deutschen als auch in vielen Sprachen der Welt, in die Hesses Werke übersetzt wurden. Für Hermann Hesse war der Großvater die zentrale Autoritätsperson in der Familie, die er nicht nur in Siddhartha als Fährmann Vasudeva beschrieben hat, sondern auch im Glasperlenspiel (1943) als Musikmeister. In der Erinnerung Großväterliches (1952) und dem autobiografischen Märchen Kindheit des Zauberers (1923) hat er ihn beeindruckend porträtiert.
Hermann Hesse
über seinen Großvater Hermann Gundert
"Er, der Alte, Ehrwürdige, Gewaltige, im weißen Bart, allwissend, mächtiger als Vater und Mutter, er war im Besitz noch ganz anderer Dinge und Mächte, sein war nicht nur das indische Götter- und Spielzeug, all das Geschnitzte, Gemalte, mit Zaubern geweihte, Kokosnußbecher und Sandelholztruhe, Saal und Bibliothek, er war auch ein Magier, ein Wissender, ein Weiser. Er verstand alle Sprachen der Menschen, mehr als dreißig, vielleicht auch die der Götter, vielleicht auch der Sterne, er konnte Pali und Sanskrit schreiben und sprechen, er konnte kanaresische, bengalische, hindostanische, singhalesische Lieder singen, kannte die Gebetsübungen der Mohammedaner und der Buddhisten, obwohl er Christ war und an den dreieinigen Gott glaubte, er war viele Jahre und Jahrzehnte in östlichen, heißen, gefährlichen Ländern gewesen, war auf Booten und in Ochsenkarren gereist, auf Pferden und Mauleseln, niemand wußte so wie er Bescheid darum, daß unsere Stadt und unser Land nur ein sehr kleiner Teil der Erde war, daß tausend Millionen Menschen anderen Glaubens waren als wir, andere Sitten, Sprachen, Hautfarben, andere Götter, Tugenden und Laster hatten als wir. Ihn liebte, verehrte und fürchtete ich, von ihm erwartete ich alles, ihm traute ich alles zu, von ihm und seinem verkleideten Gotte Pan im Gewand des Götzen lernte ich unaufhörlich."
Kindheit des Zauberers, Frankfurt 1974, S. 99
DER DICHTER HERMANN GUNDERT
Nach dem Tod seiner Mutter verfasste Hermann Gundert als 19-Jähriger folgendes Gedicht:
Am zwölften August 1833
Daß es Abend wird,
Soll ich´s beklagen?
Daß die Sonne geht,
Müde von Tages Arbeit,
Daß die Wolken rings
Düstere Schatten ziehn,
Daß herab die Gestirne
Flimmern auf nächtliche Stille?
[...]
Auf der Schwelle stehst du
Deines Jahrhunderts!
Hier die Wiege, da du geweinet,
Dort die Welten, die dich erwarten!
Und die Vollendeten droben,
Winkend zu froherem Wirken,
Und die Anvertrauten unten,
Schwankend in redlichem Streben!
Beut die Rechte hinauf,
Die du ihr einmal gegeben, -
Daß die Kampferprobte
Helfe zum letzten Schritt! -
Der ewig Geliebten!
Aber die Linke laß
Und dein mahnendes Auge
Und der Liebe Gedächtnisflamme
Den jüngeren Pilgern!
KONTAKT
Wir freuen uns auf den Kontakt und Austausch!
Ihre Hermann-Gundert-Gesellschaft